24. Silent Night, Holy Night

Es ist vollbracht. Alle Geschenke sind eingepackt, die Taschen stehen im Flur, die Blumen sind versorgt und wir sind nur leicht genervt. Nicht schlecht. Die Reiselust hält sich dennoch in Grenzen und haben wir auch wirklich nichts vergessen? Egal. Jetzt ist noch ein Moment zum Innehalten. Tief einatmen, ausatmen, alles wird gut.

Die angekündigten 30 cm Neuschnee sind auch in der Nacht nicht gekommen, schade eigentlich. Ich mag Schnee immer noch.

Ich gehöre übrigens auch zu den Menschen, die an Heiligabend das plötzliche Bedürfnis überkommt, eine Kirche aufzusuchen. Warum eigentlich, den Rest des Jahres gehen wir doch auch nicht hin. „Das gehört einfach dazu“, lasse ich nicht gelten. Natürlich wird es voll sein. Es wird gesungen werden. Die Luft wird zum Schneiden sein und der Pfarrer wird halb ironisch anmerken, dass es den Rest des Jahres beschaulicher in seiner Kirche zugeht. Dennoch. Diese besondere Stimmung, die Freude, die in der Luft liegt; es ist einfach schön, sie mit vielen Menschen zu teilen und die trifft man eben in der Kirche. Vielleicht ist es so einfach.

Nach der Kirche gibt es die Gaben. Und den Kartoffelsalat und von allem anderen lasse ich mich gern überraschen. Zum Jahresabschluss gehört natürlich auch der obligatorische Rückblick. War es ein gutes Jahr? Bin ich zufriedener mit meinem Leben? Bin ich vorangekommen? Spontan kann ich alle Fragen mit „Ja“ beantworten. 2010 war ein richtig gutes Jahr! Ich habe Grundlagen geschaffen, auf denen ich 2011 gut aufbauen kann. Ich hoffe, es geht euch ähnlich.

Ich wollte an dieser Stelle eigentlich über ein anderes Thema schreiben, aber die Zeit reicht nicht mehr. Es wird hier im neuen Jahr auf jeden Fall weitergehen. Und jetzt bleibt mir nur der Dank an alle Leser. Ich hoffe, ich vermochte hin und wieder zu unterhalten. Ich wünsche uns allen ein frohes, friedliches und liebevolles Weihnachten!

Der nächste Sommer kommt bestimmt 🙂

23. Große Erwartungen

Einmal werden wir noch wach… Morgen ist es dann endlich soweit. Heilig Abend. Ich hoffe, dass alle Reisenden trotz der widrigen Wetterverhältnisse den Schoß der Familie wohlbehalten erreichen werden. Mir steht zum Glück keine große Reise bevor. Und hier in Hamburg sind die angekündigten 30 cm Neuschnee auch noch nicht gefallen. Abwarten. Der Abend ist noch jung. Der Pizzateig geht so vor sich hin und beim Kneten kamen mir die Erwartungen in den Sinn.

Heute Mittag in der Stadt hatte ich das Gefühl, sie förmlich aus der Luft greifen zu können, so verdichtet schwebten sie über meinem Kopf. Nein, nicht meine eigenen, ich habe mich weitgehend von ihnen verabschiedet. Die der anderen Menschen. „Ob ich wohl wirklich das neue iPad bekomme?“, „Wird es dieses Jahr endlich die Perlenkette sein?“, „Ob mir wohl dieses Jahr endlich der Gänsebraten gut gelingt?“, „Werden wir die Tage ohne Streit überstehen?“, „Wird mein Vater das Weihnachtsfest überleben?“, „Werden meine Eltern endlich Frieden schließen?“. All diese Gedanken.

Und natürlich die armen, unterdrückten Gefühle, genannt Emotionen. Sie lauern auf den kleinsten Anlass, um endlich ausbrechen zu dürfen. Weihnachten bietet ihnen den perfekten Tummelplatz. Erwartungen werden nicht erfüllt, Enttäuschung macht sich breit, herrlich und jetzt endlich raus mit dem ganzen angestauten Kram. Ein Lachflash in der Kirche, Tränen unterm Weihnachtsbaum, egal, das wirkt herrlich befreiend und irritiert die anderen natürlich gewaltig, weil sie sich nicht erklären können, wie es zu einer solch heftigen Reaktion kommen konnte. Dann kommen die Vorwürfe, der Streit und hoffentlich die Versöhnung.

Die Unterscheidung von Gefühl und Emotion beruht auf der Definition, dass Gefühle spontan in einer Situation auftreten und angenommen werden (ich höre einen Witz und lache. Meine Großmutter stirbt, ich schluchze und trauere usw.). Emotionen hingegen sind all die Gefühle, die im Moment ihres Auftretens nicht zur Kenntnis genommen werden konnten oder durften („Reiß dich zusammen, Indianer kennen keinen Schmerz!“, „Männer heulen nicht, das tun nur Memmen!“ usw.).

Ist man sich dieses Unterschieds bewusst, muss es nicht zum Krieg unter dem Baum kommen. Man kann eine sich selbst beobachtende Position einnehmen: „Ah, interessant, ich bin unendlich traurig. Aber das kann doch wohl nicht daran liegen, dass ich die erwünschte Perlenkette nicht bekommen habe?“ Nein, natürlich nicht. Das ist ein alter Schmerz, den ich zur Zeit seiner Entstehung nicht fühlen konnte oder durfte. So fühlt er sich also an. Nach einer Weile vergeht er wieder und schwups habe ich wieder einen Teil Ballast abgeworfen, ohne andere mit in den Strudel zu ziehen. Das geht also auch.

(Ich hoffe, dass mir meine hehren Erkenntnisse im Eifer des Gefechts nicht abhanden kommen. 🙂 )

Erwartungen sind übrigens auch eine Art der Forderung. „Ich erwarte, dass du pünktlich kommst“. Ein „sonst“ schwingt mit und übt Druck aus. Vielleicht wären wir gern freiwillig pünktlich gekommen, hätten den Müll heraus getragen oder mit dem Partner geredet. Fühlen wir uns gezwungen, unter Druck gesetzt, dann schwindet die freiwillige Bereitschaft im Nu. Fühlen wir uns zu etwas gezwungen, dann reagieren wir mit Unlust. Das ist vollkommen normal. Wir könnten also viel mehr bekommen, wenn wir uns von unseren Erwartungen lösen und stattdessen anderen geben, was wir selbst zu brauchen glauben (ohne insgeheim auf eine Gegengabe zu hoffen, selbstverständlich…). Das ist schwere Kost, ich weiß. Das Thema beschäftigte mich schon seit einer Weile und ich wollte es gern teilen. Die besten Dinge im Leben geschehen, wenn man nicht mit ihnen rechnet!

22. Dankbarkeit

Ich habe heute erfahren, dass es bei uns an Heilig Abend tatsächlich Kartoffelsalat und Würstchen gibt. 😉 Das nur am Rande. Ich habe gestern tatsächlich das Weihnachtsgeschenk gekauft. Es hat gar nicht lang gedauert. Zugegeben, in meinem Lieblingsgeschäft lässt sich sehr leicht ein Geschenk für Jedermann erstehen. Dafür bin ich dankbar. Sehr dankbar auch dafür, dass ich einfach in ein Geschäft gehen und mir was auch immer kaufen kann. Das ist nicht selbstverständlich. Es gab auch Zeiten, da wusste ich nicht, wovon ich das nächste Paket Graubrot bezahlen sollte. Aber irgendwie ging es immer weiter.

Dankbar bin ich dafür, dass mir eine robuste Konstitution beschieden ist. Ich versuche zwar, meinen Körper gut zu behandeln, gönne ihm ausreichend Bewegung an frischer Luft und ernähre ihn einigermaßen ausgewogen, aber Obst esse ich so gut wie nie. Es schmeckt mir einfach nicht mehr. Ich weiß nicht, ob das am Obst oder an mir liegt. Gemüse gibt es hingegen in rauhen Mengen, wenig Fleisch, mal Fisch und immer frisch gekocht. Und ich rauche, ähm, nicht viel natürlich, aber so richtig gesund ist das wahrscheinlich dennoch nicht, genau wie das ein oder andere oder andere Glas Rotwein… Egal. Deshalb bin ich meinem Körper dankbar.

Dankbar bin ich auch meinen Eltern. Es war zwar nicht immer einfach zwischen uns, aber letztlich fanden wir einen Weg, gut miteinander umzugehen. Ich fahre zu Weihnachten auch gern zu ihnen, nicht gezwungenermaßen. Sie haben mich immer unterstützt und mich nicht für meine Kapriolen verurteilt. 🙂

Inzwischen bin ich sogar dankbar dafür, in Hamburg wohnen zu dürfen. Was habe ich diese riesige Stadt zwischenzeitlich gehasst! Lärm, Dreck und Hektik. Aber auch viele anregende Menschen und große Schönheit.

Dankbar bin ich auch meinen Geschwistern. Für die Anregungen, die Nähe, die fröhlichen Stunden und die guten Gespräche.

Dankbar bin ich meinen Freunden. Ich habe zwar nur wenige, aber die sind wundervoll. Und die meisten leider auch weit weg. Aber wenn wir uns sprechen oder sehen, ist es immer schön!

Dankbar bin ich, zur Zeit weitgehend ungestört meinen Interessen nachgehen zu können. Yoga ist gut. Und das Singen und das Schreiben. 🙂

Womit wir bei meiner größten Dankbarkeit angelangt wären. Unendlich dankbar bin ich, Erk kennengelernt zu haben. Wir sind schon weit zusammen gegangen, nicht nur im übertragenen Sinne. 😉 Er unterstützt mich, er regt mich zum Nachdenken an und natürlich noch vieles mehr. Vielen Dank, dass es dich in meinem Leben gibt!

So, und wenn ich jetzt noch irgendwen vergessen habe, bitte ich um Verzeihung. Auch allen anderen bin ich natürlich dankbar. Dankbarkeit wird gern vergessen. Und ist doch so wichtig!

21. Lackierter Lachs

Heilig Abend steht quasi vor der Tür und für alle die, bei denen es nicht traditionell Kartoffelsalat mit Würstchen gibt, stellt sich die Frage: was wollen wir essen? Jeder Mensch, der regelmäßig kocht, hasst diese Frage. Man hat ein gewisses Standartrepertoire, gewiss, aber auch die Sehnsucht nach Abwechslung ist groß. Ich stieß neulich auf dieses schlichte, aber köstliche Rezept:

2 Lachsfilets (a 125 g)

2 EL Sojasoße

1,5 EL Mirin (Reisessig)

1,5 EL Sake (Reiswein)

1 EL Zucker

150 g Sushi- oder Jasminreis

400 g Kürbis (Hokkaidô, Butternut oder Muskat)

200 g Champignons

1 Mohrrübe

1 Lauchzwiebel

1 Knoblauchzehe

3 cm frischer Ingwer

1 TL Misopaste

1 TL Instant-Dashi (jap. Brühe)

Zuerst habe ich die Gemüsepfanne bereitet. Man kann jedes beliebige Gemüse verwenden. Ich hatte zufällig noch Kürbis da. Ich würfelte den Kürbis, schnitt Pilze und Lauchzwiebeln in Scheiben und den Knoblauch und Ingwer in Miniwürfel. Dann erhitzte ich Öl in meiner Wokpfanne und briet Ingwer und Knoblauch kurz an. Nach kurzer Zeit fügte ich Kürbis, Mörchen, Pilze und das Weiße der Lauchzwiebel hinzu. Ich briet das Gemüse kräftig an und gab dann soviel Wasser hinzu, dass der Boden der Pfanne bedeckt war. Das Gemüse durfte nun ca. 10 Minuten mit Deckel schmoren.

In der Zwischenzeit erhitzte ich Öl in einer zweiten Pfanne und briet die Lachsfilets bei mittlerer Hitze an, bis sie auf beiden Seiten schön gebräunt waren. Ich nahm sie aus der Pfanne und löste den Bratensatz mit Sojasoße, Mirin und Sake und gab den Zucker dazu. Nachdem er sich aufgelöst hatte, gab ich den Lachs wieder in die Pfanne und garte ihn unter Wenden und Begießen mit dem Fond solange, bis beide Seiten gut lackiert waren. Es sieht wirklich so aus!

Ich parkte den Lachs im 50° warmen Backofen und löste das Miso und das Dashi in etwas lauwarmen Wasser auf. Das Gemüse war inzwischen gar. Ich gab die Lösung zum Gemüse, kochte es kurz mit etwas Speisestärke auf und würzte zum Schluss noch mit Hachi (japanische Pfeffermischung, sehr kräftig, Cayennepfeffer geht auch). Ach ja, den Reis hatte ich wie üblich meinem Reiskocher anvertraut (pur, ohne Salz). Der war nun auch fertig.

Itadakimasu 🙂

Das ganze funktioniert natürlich auch als vegetarisches Gericht mit Tofu! Oder mit Huhn. Ich hoffe, meine bescheidene Idee möge inspirieren.

20. Punschrollen

Die süße Versuchung kommt leuchtend grün ursprünglich aus Schweden. Falls man nach Weihnachten die Kekse irgendwann über hat, kann man die Keksreste prima weiterverwenden.

125 g Keksreste

100 g weiche Butter

2 TL Kakaopulver, 1 EL Rum

1 EL Orangenlikör

100 g Marzipanrohmasse, 75 g Puderzucker

grüne Lebensmittelfarbe

50 g Zartbitterkuvertüre

Zunächst werden die Keksreste fein zerbröselt. Dann wird die weiche Butter mit Kakao, Rum und Orangenlikör glatt gerührt und mit den Keksbröseln zu einem geschmeidigen Teig verknetet.

Das Marzipan wird mit dem Puderzucker und der grünen Lebensmittelfarbe verknetet und zwischen Frischhaltefolie dünn ausgerollt. Nun formt man den Teig zu ca. 5 cm dicken Rollen, die in Marzipan gehüllt werden. Die Länge der Rollen variiert zwischen 5 – 8 cm. Zu guter Letzt taucht man beide Enden der Rollen in Kuvertüre und lässt sie auf Backpapier fest werden.

Zum Schmelzen der Kuvertüre: ich habe neulich zum ersten Mal den Simmertopf dazu benutzt und war mit dem Ergebnis recht zufrieden. Das erste Schmelzen dauert zwar eine gute halbe Stunde auf mittlerer Hitze, aber dafür wird die Kuvertüre nicht zu heiß. Ich schmolz 2/3 eines 200 g Blocks und fügte der bereits geschmolzenen Kuvertüre die restlich kalte zu. Nachdem die auch geschmolzen war, füllt ich die Kuvertüre in eine Schüssel und ließ sie ein wenig abkühlen. Die ersten Überzüge wurden noch streifig, die mittleren super und bei den letzten bekam ich die Kuvertüre kaum noch auf den Pinsel, weil sie bereits zu erstarren begann. Wenn ich irgendwann den Trick heraus habe, wie es einfach und gut funktioniert, werde ich darüber berichten.

Jetzt sind es nur noch zwei Tage bis Heiligabend. Die Zeit raste gefühlt im Sauseschritt. Ein Geschenk habe ich immer noch nicht, aber das ist normal, ich funktioniere unter Zeitdruck einfach am besten. 🙂 Es wird dieses Jahr fast überall in Deutschland weiße Weihnachten geben. Das kommt nicht oft vor und natürlich ist das Wetter für viele auch ein großes Hindernis. Die Flugpläne sind durcheinander geraten, die Züge überfüllt und auf den Autobahnen herrscht seit Wochen Chaos. Weniger ist mehr, das schrieb mir eine gute Freundin kürzlich und sie hat recht. Die Ausgaben für Mobilität nehmen laut des statistischen Bundesamtes ein Drittel unseres Einkommens ein. Um welchen Preis? Ok, ich sehe, das ist ein weites Feld und ich werde es an anderer Stelle beackern. Ein schönen 20. Dezember!

19. Manchmal gefangen

Ich habe es den ganzen Tag lang probiert, aber mir wollte einfach nichts einfallen. Selbst der zweistündige Spaziergang bei -7°C konnte meinem Hirn keine Idee entlocken. Vielleicht ist es auch einfach in der Kälte erstarrt. Und eben fiel mir ein, dass Rainer Maria Rilke meinen heutigen Zustand vortrefflich beschrieben hat.

Der Panther

sein Blick ist vom Vorübergehen der Stäbe

so müd‘ geworden, dass es nichts mehr hält;

ihm ist als ob es tausend Stäbe gäbe

und hinter tausend Stäben keine Welt.

 

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,

der sich im allerkleinsten Kreise dreht,

ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,

in der betäubt ein großer Wille steht.

 

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille

sich lautlos auf. Dann geht ein Bild hinein;

geht durch der Glieder angespannter Stille

und hört im Herzen auf zu sein.

18. Engel

Seit Anbeginn der menschlichen Aufzeichnungen tauchen Bilder und Geschichten von geflügelten Wesen auf, die einem oder mehreren Göttern dienen. Sie sind körperlos und haben die Aufgabe, zwischen Gott und den Menschen zu vermitteln. Soweit, so gut. Aber was hat es nun auf sich mit den Engeln? Mir ist noch keiner begegnet, jedenfalls nicht als Erscheinung.

Eine andere Art der Engel ist mir aber tatsächlich schon begegnet. Der Schutzengel. Ich glaube, jeder hat schon einmal ein Erlebnis gehabt, bei dem er in letzter Sekunde irgendeiner Gefahr entrann. Um nur ein Beispiel zu nennen: vor einigen Jahren fuhr ich auf Inlineskates durch Kiel. Ich fuhr auf dem Bürgersteig. Aus einer Einfahrt schoss ein Auto, dass mich nur um Haaresbreite verfehlte. Ich stürzte zwar, aber ich war unverletzt. Es scheint sie also tatsächlich zu geben. Wieso sollte es dann die anderen nicht geben?

Vielleicht trägt die Aufklärung ihren Teil dazu bei. „Ich denke, also bin ich“. Seit diesem Ausspruch Descartes wird dem Verstand eine übergeordnete Rolle zugesprochen. Analysieren, strukturieren und planen. Darauf kommt es an. Ein Test allerdings ließ die Hirnforscher vor ein paar Jahren stutzig werden. Sie verkabelten ihre Probanden, so dass sie während des Tests deren Hirnaktivität beobachten konnten. Die Probanden sollten ihren Zeigefinger krümmen und zu dem Zeitpunkt, zu dem sie sich bewusst dazu entschlossen, auf einen Knopf drücken. Es zeigte sich, dass die Aktivität im Hirnareal, das für die Krümmung des Zeigefingers zuständig ist, bereits etliche Sekunden vor der bewussten Entscheidung begann. Wir entscheiden also gar nicht bewusst selbst, sondern es (was auch immer) entscheidet für uns. Beängstigend. Haben wir also gar nicht die absolute Kontrolle, nach der wir uns so sehnen?

In einem anderen Versuch ging es darum, festzustellen, ob bewusst oder intuitiv getroffene Entscheidungen „besser“ sind. Die Probanden sollten im ersten Durchlauf das beste aus vier Automodellen anhand von drei Kriterien auswählen (Preis, Verbrauch, Ausstattung). Eine Gruppe sollte bewusst entscheiden, die andere wurde abgelenkt (durch Musikhören) und sollte dann spontan entscheiden. In diesem ersten Versuch schnitten beide Gruppen ungefähr gleich gut ab. Im zweiten Durchlauf galt es ebenfalls das beste Auto zu wählen, nur waren es dieses Mal zehn Wagen und zehn Entscheidungskriterien. Dieses Mal war die zweite Gruppe, die sich intuitiv entscheiden sollte, klar im Vorteil. Es scheint, als könne unser Hirn komplexe Zusammenhänge besser ohne unser bewusstes Mitmischen verarbeiten.

Das machte mich nachdenklich. Ich las diese Artikel übrigens in einem GEO WISSEN (Nr. 45 – 05/10 – Was will ich?). Ich hatte auf meine rationale Intelligenz immer große Stücke gehalten. Als ich so vor mich hin sann, fiel mir eine Episode ein, die sich vor gut sieben Jahren zutrug. Erk und ich waren zum ersten Mal für eine Woche mit dem Fahrrad unterwegs. Von Kiel ging es an die Nordseeküste und dann weiter an ihr entlang. Wir hatten damals noch unsere alten Fahrräder. Erks Puch hatte schon gut zwanzig Jahre auf dem Buckel. Am Eidersperrwerk passierte, was passieren musste. Es knirschte und knackte im Antrieb des Puch und das Hinterrad blockierte. Erk rastete aus. Weit und breit keine Fahrradwerkstatt und auch sonst wenig Infrastruktur. Besonders viel Werkzeug hatten wir auch nicht dabei. Ich bat ihn, hinunter an den Strand zu gehen. Ich wollte mir die Misere in Ruhe anschauen. Irgendetwas blockierte, so dass das Hinterrad sich nicht mehr drehte. Ich weiß nicht mehr genau, wie ich es gemacht habe, aber plötzlich fielen lauter kleine Kugeln in den Schotter. Ich sammelte sie wieder ein und baute den Freilauf (wie ich später erfuhr) wieder zusammen und das Rad fuhr wieder. Ich hatte von Fahrradreparatur wirklich nicht besonders viel Ahnung, aber irgendwie war es, als führte jemand meine Hand. Ob das vielleicht auch ein Engel war?

Ich bin jedenfalls dafür, offen für alles mögliche zu sein. Wer weiß, vielleicht sieht man tatsächlich mal einen Engel durch die Gegend fliegen. 🙂 Jetzt zur Weihnachtszeit dürften einige unterwegs sein…

17. Schnee

Gestern rieselte er eher leise als laut. Das Wetter hatte sich richtig ins Zeug gelegt und hielt mich davon ab, nachmittags einen Spaziergang zu machen. Der Wind wehte recht kräftig aus Südwest und trieb die dicken Flocken vor sich her. Gute zehn Zentimeter kamen zusammen. Ich liebe Schnee! Er hüllt all die Hässlichkeit der Welt in unschuldiges Weiß.

 

Na, welche Autos werden nicht täglich bewegt?

 

Er dämpft die Geräusche und zwingt das alltägliche Leben in eine Langsamkeit, die mir zusagt. Es ist Winter. Im Winter fällt Schnee. Wir hier in Norddeutschland haben die letzten zwanzig Jahre über leider vergessen, das es so ist. Deshalb fällt plötzlich wegen fünfzehn angekündigten Zentimetern Neuschnee die Schule allerorts aus. Vor fünfzig Jahren hätten die Schulkinder nur müde über die Gefahren des Ausrutschens gelacht und wären in ihren Wollstrumpfhosen und -mänteln die zehn Kilometer gern zur Schule gestapft. Zu Fuß versteht sich. Naja, die Zeiten ändern sich.

 

Stillgelegt

 

Zugegeben, mit dem Fahrrad irgendwo hin zu fahren bietet sich nicht an. Gehen geht besser. Und läßt man einmal die häßlichen Seiten des städtischen Winters hinter sich…

 

Autos verwandeln die weiße Pracht in Matsch

 

… betritt man eine Winterwunderwelt, wie sie im Harz oder in den Alpen nicht schöner sein könnte. Genau wie in den Wolken kann man im Schnee bizarre Gestalten ausmachen:

 

Afrikanische Damen mit Häubchen

Um solche Details auszumachen, ist der alltägliche Blick oft zu fokussiert. Die Kälte nervt, die Schuhe werden schmutzig und überhaupt, was muß ich noch einkaufen? Ich nahm mir heute die Zeit einmal genauer hinzusehen, welchen Zauber die weißen Flocken verbreiten.

 

Hübsches Kleid

 

 

 

Und ich staunte und war völlig gefangen genommen von der winterlichen Pracht. Die Kinder genossen den Schnee genauso.

 

Wenn nur der mühsame Aufstieg nicht wäre

 

Ich erinnerte mich. Als ich in dem Alter war, verbrachten wir herrliche Rodelnachmittage am Bach. Ein sanfter, immer steiler werdender Hügel führte mit einer 90° Rechtskurve auf ihn zu. Unsere Wollfäustlinge waren bereits nach kurzer Zeit doppelt so schwer von den daran klebenden Schneeklumpen. Jacke und Hosen waren klatschnaß. Gefroren haben wir trotzdem nie. Das Schlitten wieder den Berg rauf ziehen war viel zu anstrengend. Wenn die Dämmerung herein brach, schlurften wir müde und glücklich nach Hause.

 

Da liege ich im Sommer immer in der Sonne 🙂

Jetzt, nach meinem Spaziergang, empfängt mich die Wohnung mit wohliger Wärme. Ich stelle einen Topf mit Glühwein auf den Herd und sichte meine Bildausbeute. Erk kommt nach Hause und wir genießen den ruhigen Winterabend gemeinsam. Warum sollte man aus einem bißchen gefrorenen Wassers auch ein Drama machen?

 

16. Hühnchen-Korma „Malay“

Draußen herrscht seit Wochen Dauerfrost. Wenn ich jetzt aus meinem Fenster schaue, sehe ich die Häuser auf der anderen Straßenseite kaum, so dicht ist das Schneetreiben. Man fröstelt so vor sich hin. Scharfes Essen kann Abhilfe schaffen. Kürzlich fiel mir ein fantastisches Buch über Currys in die Hände (Madhur Jaffrey – Currys indisch, Currys kreolisch, Currys asiatisch). Das Hühnchen-Korma „Malay“ sprach mich sofort an und die meisten Zutaten hatte ich im Haus. Also machte ich mich an die Zubereitung. Es war ein bisschen aufwändig, da man mehrere Gewürzmischungen herstellen muss. Aber das Ergebnis war super. Man braucht für zwei Personen:

1 TL weißen Mohn (oder gem. Mandeln)

2, 5 cm frischen Ingwer, geschält und gehackt

2 Knoblauchzehen, gehackt

50g Schalotten, gehackt

1 TL Koriander

1 TL Cumin

eine Msp. Fenchel

1/2 TL weißen Pfeffer (schwarzer tut’s auch)

2 EL Rapsöl

1/2 Sternanis

1/2 Zimtstange (oder einen knappen TL gemahlenen)

3 Kardamomkapseln

1/2 Zwiebel, in feine halbe Ringe geschnitten

ca. 350 – 400g Hünchenbrust, in Stücken

250 g Kartoffeln, in 4 cm große Stücke geschnitten

2 mittelgroße Möhren, ebenfalls in 4 cm große Stücke geschnitten

1 kleine Tomate, gehackt

1 TL Salz

2 EL Joghurt

Cayennepfeffer nach Belieben

125 ml Kokosmilch

1  EL Zitronensaft

frische Minze zum Garnieren (oder auch Petersilie)

Falls man Mohn hat, weicht man ihn für zwei Stunden in kochendem Wasser ein. Ich hatte keinen. Ich vermengte die gemahlenen Mandeln mit etwas Wasser zu einem Brei, fügte Ingwer, Knoblauch und Schalotten hinzu und pürierte das ganze mit dem Zauberstab.

Koriander, Cumin, Fenchel und Pfeffer zerrieb ich im Mörser zu einem groben Pulver.

Dann erhitzte ich das Öl in meiner Wokpfanne. Als das Öl heiß genug war, gab ich Kardamom, Anis- und Zimtpulver hinein. Ich rührte einmal um und fügte die Zwiebelringe hinzu. Als sie glasig zu werden begannen kam die Ingwerpaste hinein. Ich ließ sie 2 – 3 Minuten anziehen und streute die gemahlenen Gewürze hinein. Nach einer Minute kamen auch die Hähnchenstücke dazu. Ich briet sie 6 – 7 Minuten an, bis der Fleischsaft auszutreten begann.

Jetzt gab ich das Gemüse hinzu, würzte mit Salz und Cayenne (ich nehme immer „aus Versehen“ zuviel und Erk bekommt dann beim Essen Schweißausbrüche. Ups!) und goß 180 ml Wasser an. Das Ganze garte dann mit Deckel erst eine Viertelstunde bei mittlerer Hitze und weitere zehn Minuten bei schwacher.

In der Zwischenzeit mischte ich Joghurt, Kokosmilch und Zitronensaft und goss es zum Schluss zum Curry. Dann garte es noch fünf Minuten ohne Deckel und schon war es fertig. In der Küche roch es wie unserem Asialaden, im dem auch frisch zubereitete Speisen angeboten werden. 🙂

Ich servierte das Curry mit Jasminreis, den der Reiskocher freundlicherweise für mich gekocht hatte und – was soll ich sagen? Das Curry war absolut himmlisch. Man konnte keins der Gewürze herausschmecken, alles hatte sich zu einer wohlschmeckenden Aromenkomposition verbunden. Leider war unser Hunger so groß, dass ich keine Fotos machen konnte. Ich reiche sie beim nächsten Mal nach, versprochen! Viel Spaß beim Nachkochen.

15. Die Familie

Luther ist schuld. Er propagierte vor knapp fünfhundert Jahren, dass man zum Geburtstag Jesus (und das Datum ist keinesfalls eindeutig belegbar), das Familienfest mit gegenseitigem Beschenken feiern solle und nicht wie zuvor am 6. Dezember, dem Nikolaustag. Nikolaus war ein Bischof, der tatsächlich in der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts in Myra (in der heutigen Türkei) lebte und wirkte. Er verschenkte sein Erbe großzügig an alle Bedürftigen. Deshalb wurde er schon während seines Lebens zur Legende. Am Tag seiner Verehrung wurden Geschenke vor allem an Kinder gegeben. Luther schien das zu missfallen. Also gab es von nun an die Geschenke erst am 24. bzw. 25. Dezember.

Und zu diesem Anlass kommt die ganze Familie zusammen. Es gibt wohl weltweit keine Familie, in der nicht Spannungen irgendeiner Art herrschen. Gepaart mit einer starken in der Luft liegenden Emotionalität eine hochbrisante Mischung. Man trifft sich, es wird gegessen, die Kerzen des Weihnachtsbaums werden angezündet. Vielleicht läuft eine Aufnahme mit Weihnachtsliedern im Hintergrund. Möglicherweise wird sogar noch gesungen oder aber der Fernseher läuft. Das ist ganz unterschiedlich.

Nun soll Bescherung sein. Unter den meisten Weihnachtsbäumen türmen sich wahre Berge von Päckchen. Besonders kleinere Kinder sind nach dem Auspacken des dritten Päckchens völlig überfordert. Zu viel. Die Aufmerksamkeit verweilt nicht lange bei einem Ding. Aber auch die älteren seufzen und stöhnen innerlich. Noch ein Geschenk. Ist es wohl genauso gut und wertvoll wie meins? Oje, ein Geschenk von Onkel Dieter, das kann ja nur in die Hose gehen. Und tatsächlich, eine Salzkristalllampe, deren Zeit längst vorbei ist. Da helfen nur regelmäßige Griffe in den bunten Teller. Der Magen protestiert. Irgendwann gibt es riesige Haufen Abfall und kleinere Haufen ausgepackter Geschenke. Man sitzt ratlos und vollkommen erschöpft herum. Bestenfalls geht’s nun noch zum Mitternachtsgottesdienst in die Kirche, schlimmstenfalls versammelt man sich vor dem Fernseher.

Das war der heilige Abend.

Worum ging es nochmal? Freude über Erlösung. Stimmt, da war doch was. Gott hatte seinen Sohn auf die Erde gesandt, um uns von unseren Sünden zu erlösen. Erneuerung, Dankbarkeit und das Teilen der Freude darüber mit den Nächsten. Daran kann man glauben oder auch nicht, die freudige Erwartung liegt einfach in der Luft. Keiner kann sich ihr entziehen. Warum fällt es den meisten so schwer, sich darauf einzulassen? Weil wir uns dann nicht mehr allmächtig fühlen können? Weil wir etwas annehmen müssten, dessen Preis wir nicht kennen? Oder weil Religiosität einfach nicht in die moderne Welt passt? Ich weiß auch keine Antworten. Aber es beunruhigt mich. Ich bin gespannt, wie es dieses Jahr wird.

Es wird auf jeden Fall keine Geschenkeberge geben. Und Luther ist natürlich auch nicht an unseren komischen Emotionen schuld. Die haben wir uns selbst gemacht und ebenso können wir sie auch selbst verändern.